Es ist alles meine Schuld!

14.05.2022

Das war die eingebrannte Meinung eines Coachees von mir. Ein Projekt in Schieflage und ein Chef drei Ebenen höher, der mich beauftragte mit den Worten: "Bringen Sie den endlich zum Laufen oder tauschen Sie ihn aus.". Beste Voraussetzungen für ein entspanntes Coaching oder nicht?

Der Coachee erzählte mir von seinem Projekt. Ja, ich weiß, dass ich nicht malen kann. Ist aber auch irgendwie ein Markenzeichen. Und man kann mit viel Erklärung erkennen, was ich darstellen wollte. Also zeichnete ich wieder.

Im Wesentlichen befand sich der Coachee in sehr unruhigem Gewässer. Das Unternehmen ist in der Produktion in Kurzarbeit, da die produzierten Teile weniger nachgefragt werden. Dennoch soll der Produktionsprozess um eine Qualitätssicherung während einer Vorproduktion erweitert werden, um den Ausschuss zu reduzieren. Also Teile einschmelzen, bevor mangelhafte Ware weiterverarbeitet und später aussortiert werden muss. Durch die Kurzarbeit sind die Fachexperten aber nicht immer da und schon gar nicht gleichzeitig. Der eigentliche Auftraggeber ist ein Mal die Woche am Produktionsstandort. Kurz angebunden und eher abwesend, wenn es mal zu einem Abstimmungsmeeting kommt. Für die Qualitätssicherungsstraße ist kein Platz in der relevanten Halle. Und das Budget wird knapp, da die anfragenden Kunden die Abnahmepreise gesenkt haben. Ein Vorarbeiter blockiert das Projekt, da mit Einführung der zusätzlichen Qualitätssicherung einer seiner Mitarbeiter den Bereich wechseln würde. Die scheinen immer die gleiche Schicht zu haben. Also vielleicht gute Freunde. Nach einem halben Jahr Projekt, gibt es nicht wirklich Fortschritte. Also warum ist das Projekt in Schieflage und ist es deine Schuld?

Die Rahmenbedingungen waren nicht gut. Die Projektmaßnahmen waren auch ok, aber noch nicht zielgerichtet. Als Teilergebnis wurde erarbeitet, wie die Teile zu prüfen sind. Das wurde nur keinem gesagt. Hier die Zusammenfassung der Lösungen:

  • Der Coachee hat die Ergebnisse und Erkenntnisse für einen 20 Minuten Vortrag zusammengefasst. Wir haben den Auftraggeber in die Produktion eingeladen. An einer ruhigen Stelle, zufällig ohne Handyempfang. So hatten wir seine Aufmerksamkeit.
  • Wir stellten das Ergebnis mit einem Modell eines QS-Platztes vor. Unser Aufhänger für die Maßnahmen, die nun notwendig sind:

  1. Abstimmung der Schichtpläne, sodass die Fachexperten an einem Tag gleichzeitig da sind. Das ist dann auch der Projekttag.

  1. Machbarkeitsstudie für einen Anbau am Produktionsstraßenende rechts oder kopfseitig.
  2. Business Case zu der Investition im Verhältnis zu den eingesparten Kosten der zusätzlichen Investition gegenüber der QS während der Produktionsschritte.
  • Mit dem Vorarbeiter, der unser Projekt blockiert, habe ich geredet.

Der war ganz entspannt. Da rannten nur andere Berater durch das Unternehmen, so mit Rollkoffer, Anzug und Einstecktuch. Sie analysierten Arbeitszeitprozesse und Leistung. Er hatte Angst seinen Job zu verlieren. Und jetzt sollte noch sein bester Mitarbeiter mit der Lupe irgendwelche Schweißnähte prüfen. "Was für ein Schwachsinn.": erklärte er mir. Sein Kumpel und er produzierten in den gemeinsamen Schichten mehr als in dem Rest der Zeit produziert wurde. Das fiel den Kollegen mit dem Einstecktuch aber nicht auf, denn sie hatten ja die Wochenleistung im Fokus und wenn jemand hinter einem steht und es nicht nach Metall, sondern Gucci riecht, ist man vielleicht auch etwas abgelenkt und langsamer.

Naja, zurück zum Ursprung der Qualität. Die Teile waren dann fehlerhaft, wenn Sie nicht im gleichen Rhythmus eingelegt wurden. Durch die Abkühlung der Schweißeinheit entstehen bei den ersten Teilen Temperaturunterschiede. Die wiederum zu Rissen in der Schweißnaht. Die beiden Kumpel wussten das. Haben also am Anfang der Schicht alles mit Rohlingen vollgestellt, die Maschine angeworfen und die ersten 5-6 Teile in den Schrott geschmissen. Wenn die Einstecktücher kamen, machten sie das nicht. Sondern standen an der Maschiene. Es wurde ja kontrolliert.

Das Ende vom Lied war: Wir haben den Anbau aus dem Business Case genutzt, um die Rohlinge an der Schweißstation zu lagern und nicht eine Halle weiter. Dann haben wir den QS Prozess genau da angesetzt. Eine QS-Straße war nicht mehr notwendig. Die Fehlerquote ist von 15 % auf 0,6 % gesunken und damit war auch die QS-Straße unwirtschaftlich. Die beiden Kumpel arbeiten weiter zusammen in der gleichen Schicht. Ich war mal zum Grillen eingeladen. Echt coole Typen. Die wussten einfach Bescheid. Und die Einstecktücher waren wohl auch weg. Der Coachee ist nun Assistent der Geschäftsführung und macht Projekte. Alle paar Monate kommt mal ein Anruf. Eher ein lockerer Austausch. Er hat schon seinen Weg gefunden. Eine zweite Meinung ist dennoch beruhigend. Einen zweiten Auftrag habe ich von dem Auftraggeber erhalten. Nun mit den Worten: "Schauen Sie mal, welche Probleme wir im Unternehmen haben, sie kommt nicht weiter.". Auch da scheint sich die Sichtweise geändert zu haben.

Wir neigen dazu, die Schuld für eine Schieflage bei uns selbst zu suchen. Um das bewerten zu können empfehle ich eine Abstraktionsebene. Ob schlecht gemalt, mit Lego, Kopfstand-Technik oder eine andere Kreativtechnik. Echte eigene Fehler sind zum Lernen da. Im Wesentlichen ist aber nicht alles deine Schuld.

Euer Arne Drescher

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